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Erläuterung zu § 68 Absätze 3 und 5
Kirchenorganisationsgesetz

Dezernat 4.1

Stand: 23.05.2024

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Persönliche Beteiligung

Leitfaden für die Anwendung von § 68 Absatz 3 und 5 des Kirchenorganisationsgesetzes (persönliche Beteiligung)
§ 68
( 3 ) Wer an dem Gegenstand der Beratung persönlich beteiligt ist, hat sich vor der Beratung und Beschlussfassung zu entfernen, muss aber auf eigenes Verlangen vorher gehört werden. Die Beachtung dieser Vorschrift ist im Protokoll festzustellen.
( 4 ) (...)
( 5 ) Wer annehmen muss nach Absatz 3 oder 4 von der Mitwirkung ausgeschlossen zu sein, hat den Ausschließungsgrund unaufgefordert dem Vorsitz anzuzeigen. Für die Entscheidung in Fällen, in denen der Ausschluss streitig bleibt, ist das Leitungsorgan zuständig.
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1. Sinn der Vorschrift

Die Vorschrift gibt den allgemeinen Rechtsgedanken wieder, dass ein Presbyteriumsmitglied, das ein konkretes Interesse an einer Entscheidung hat, an dieser Entscheidung nicht mitwirken darf. Dieser Grundgedanke ist auch im staatlichen Recht zu finden, beispielsweise in den Gemeindeordnungen für die Kommunen, (vgl. Dieckmann/Heinrichs Gemeindeordnung für Land NRW, § 31, Rdn. Nr. 1). Entscheidungen des Presbyteriums und aller anderen Organe sollen von sachlichen Gesichtspunkten geleitet sein und dem Gemeindeinteresse dienen und nicht durch persönliche Interessen beeinflusst werden.
Zudem soll verhindert werden, dass durch die Anwesenheit eines nur irgendwie Beteiligten die Abstimmungsberechtigten sich in ihrer Entscheidungsmöglichkeit beeinträchtigt sehen. Durch die Gegenwart eines persönlich Betroffenen wird möglicherweise das Abstimmungsergebnis beeinflusst werden. Damit soll die Freiheit der Beratung und Beschlussfassung gesichert werden, (so Nikolaus Becker, Die Kirchenordnung der Evangelischen Kirche im Rheinland, Art. 121 Rdn. 1).
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2. Auslegungsmaßstab

Die Vorschrift ist eng auszulegen, um möglichst alle Presbyteriumsmitglieder an der Beratung und Beschlussfassung zu beteiligen, (so Nikolaus Becker, Die Kirchenordnung der Evangelischen Kirche im Rheinland, Art. 121 Rdn. 1).
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3. Anwendung

Hat ein Presbyteriumsmitglied ein privates individuelles Interesse an einer bestimmten Entscheidung, darf es an dieser Entscheidung nicht mitwirken. Maßgeblich ist nicht die subjektive Vorstellung der handelnden Personen, sondern die objektive Wirkung. Es soll der „böse Schein“ vermieden werden, an der Entscheidung sei jemand im eigenen Interesse beteiligt. In diese Richtung werden ähnliche Vorschriften im kommunalen Bereich interpretiert, (vergleiche Dieckmann/Heinrichs Gemeindeordnung für das Land NRW, § 31 Rdn. Nr. 1).
Ein Ausschlussgrund liegt immer dann vor, wenn bei der betroffenen Person ein individuelles Interesse an der Entscheidung vorliegt, das zu einem Interessenkonflikt führen kann und die Besorgnis an einer beeinflussten Stimmabgabe rechtfertigt; gleiches gilt im staatlichen Recht, (vergleiche Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Auflage, § 12 Rdn. 14).
Konkret liegt bei Sachfragen über das Arbeitsgebiet der betroffenen Person keine persönliche Beteiligung vor. Beispiele sind Fragen der Verlagerung einer Einrichtung oder Pfarrstelle, Organisationsmaßnahmen, die Verteilung von Haushaltsmitteln oder allgemeine Strukturüberlegungen.
Eine persönliche Beteiligung liegt allerdings dann vor, wenn die Entscheidung über das Arbeitsgebiet in die private Lebensgestaltung der betroffenen Person hinein wirkt. Beispiele sind die Wahl zu einem Amt, Entlassung, Versetzung in den Ruhestand, die Aufhebung einer Pfarrstelle, die Schließung einer Einrichtung, Fragen der Gestaltung, Ausstattung und Größe der Pfarrwohnung, in die die Pfarrerin oder der Pfarrer selbst einzieht.
Bei Wahlen ist persönlich beteiligt, wer sich zur Wahl für ein besoldetes oder unbesoldetes Amt stellt. Sie oder er nimmt aber gemäß § 69 Absatz 1 Kirchenorganisationsgesetz an der Abstimmung teil.
Persönlich beteiligt ist ein Mitglied des Presbyteriums auch dann, wenn eine Entscheidung über eine Verwandte oder einen Verwandten zu treffen ist, sofern die Entscheidung diese in ihren privaten individuellen Interessen trifft.
Wer zu den Verwandten zählt, wird durch Rückgriff auf § 8 Absatz 1 Kirchenorganisationsgesetz beantwortet. Es handelt sich um Ehegatten untereinander, Geschwister untereinander, Großeltern, Eltern, Kinder und Enkel untereinander, Ehegatten zu ihren Schwiegereltern und den Stiefkindern ihres Ehegatten.
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4. Beratung

Da die persönlich Beteiligten sich vor der Beratung und Beschlussfassung entfernen müssen, ist zu klären, was unter Beratung zu verstehen ist. Dazu gehört alles, was der Vorbereitung der Entscheidung dient, beispielsweise mündliche Meinungsaustausche, schriftliche Gutachten und Stellungnahmen sowie vorbereitende Gespräche.