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Erläuterung zu § 68 Absatz 2
Kirchenorganisationsgesetz

Dezernat 4.1

Stand: 10.06.2024

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1. Anwesende Stimmberechtigte

Stimmberechtigt sind alle Mitglieder des Gremiums. Beratend Teilnehmende oder Gäste haben kein Stimmrecht.
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a) Stimmenthaltungen und ungültige Stimmen

Bei der Feststellung der Zahl der anwesenden Stimmberechtigten zählen auch Stimmenthaltungen und ungültige Stimmen mit.
Grund hierfür ist das in Artikel 2 Nr. 2 der Kirchenordnung1# verankerte Gebot der Einmütigkeit. Ziel dieses Gebots soll das Bemühen um innere Gemeinsamkeit und lückenlose Geschlossenheit sein. Das Presbyterium muss eine von ihm gefällte Entscheidung in Geschwisterlichkeit gemeinsam tragen und nach außen vertreten. Beschlüsse sollen damit von einer entsprechend starken Mehrheit (mehr Ja-Stimmen als Nein-Stimmen und Enthaltungen) getragen sein. Darin unterscheidet sich der Prozess der Beschlussfassung im kirchlichen Bereich grundlegend von staatlichen Willensbildungsprozessen. Im Ergebnis werden Enthaltungen im Sinne eines „Magnus Consensus“ wie Nein-Stimmen gewertet.
Zur Vermeidung von Missverständnissen über diese Konsequenz einer Stimmenthaltung empfehlen der Ständige Ausschuss für Kirchenordnung und Rechtsfragen und der Ständige Innerkirchliche Ausschuss, dass die oder der Vorsitzende des jeweiligen Leitungsgremiums vor der Beschlussfassung von wichtigen Entscheidungen einen deutlichen Hinweis auf die Rechtsfolgen von Stimmenthaltungen geben sollte.
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b) Besonderheiten bei Videokonferenzen

Bei Kreissynoden und Landessynoden, die in Form einer Videokonferenz tagen, sind nur die Personen stimmberechtigt, die zum Zeitpunkt der Stimmabgabe über eine eingeschaltete Kamera für alle wahrnehmbar an der Tagung teilnehmen.
Um auszuschließen, dass Personen mit ausgeschalteter Kamera an der Abstimmung teilnehmen, können diese ebenso wie beratende Mitglieder und Gäste, vor der Abstimmung in einen „Warteraum“ verschoben werden.
Verbleiben sowohl die stimmberechtigten Mitglieder, die ihre Kamera ausgeschaltet haben, als auch die beratenden Mitglieder und Gäste während der Abstimmung in der Videokonferenz, kann bei einer offenen Abstimmung anhand der Teilnahmeliste kontrolliert werden, ob die Abstimmenden stimmberechtigt sind oder nicht. Bei Nutzung eines Umfrage-Tools dürfte nur ein Abgleich der abgegebenen Stimmen mit den zum Zeitpunkt der Abstimmung mit eingeschalteter Kamera teilnehmenden stimmberechtigten Mitgliedern möglich sein. Insoweit ließe sich nicht ausschließen, dass auch nicht stimmberechtigte Personen an der Abstimmung teilgenommen haben. Die Teilnehmenden sind daher ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass nur Stimmberechtigte an der Abstimmung teilnehmen dürfen. In diesem Fall gelten als anwesende Stimmberechtigte alle, die an der Umfrage teilgenommen haben, also auch die, die sich enthalten haben.
Bei Presbyterien, Kreissynodalvorständen und Kirchenleitung, die in Form einer Videokonferenz zusammenkommen, können ausnahmsweise auch Personen mit ausgeschalteter Kamera an der Abstimmung teilnehmen. Vgl. dazu nachfolgenden Auszug aus der Drucksache zum Verfahrensgesetz der Landessynode 2022:
„Es hat sich gezeigt, dass vereinzelt aus technischen Gründen bzw. aufgrund der vorhandenen Internetkapazitäten eine Teilnahme erheblich erschwert werden kann. So kommt es gerade im ländlichen Bereich vor, dass nicht alle stimmberechtigten Personen die Möglichkeit haben, sowohl in Bild als auch mit Ton an einer Sitzung teilzunehmen. Gleichwohl wurde eine stimmberechtigte Teilnahme zugelassen, sofern sich die Ausschaltung der Kamera auf technische Probleme zurückführen ließ und vor Abstimmungen und Wahlen jeweils die Kamera wieder eingeschaltet wurde. Dies erschien vor dem Hintergrund der Regelung, die Handlungs- und Arbeitsfähigkeit des Leitungsgremiums in der Pandemie sicherzustellen, gerechtfertigt. Auch wird gerade bei den nichtöffentlich tagenden Leitungsgremien davon ausgegangen, dass sich die Mitglieder anhand der Stimme identifizieren können. Die Diskussionen im Ständigen Ausschuss für Kirchenordnung und Rechtsfragen sowie im Ständigen Innerkirchlichen Ausschuss kamen daher auch zu dem Ergebnis, dass selbst bei dauerhaft ausgeschalteter Kamera eine stimmberechtigte Teilnahme ermöglicht werden sollte, sofern sich diese auf Ausnahmefälle beschränkt.“ (Auszug aus Drucksache LS 2022, Drucksache 4 S. 6)
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2. Erforderliche Mehrheit

Für das Zustandekommen eines Beschlusses ist die „Mehrheit der anwesenden Stimmberechtigten“ entscheidend, soweit nicht durch Kirchengesetz eine erhöhte Mehrheit vorgeschrieben ist. Erforderlich ist damit eine Zustimmung von mehr als der Hälfte der anwesenden Stimmberechtigten. Bei Stimmengleichheit ist ein Beschluss nicht zustande gekommen.
Eine erhöhte Mehrheit ist z.B. vorgeschrieben in §§ 10 Abs. 2 und 30 PWG2#
Das Erfordernis einer erhöhten Mehrheit kann nur durch Kirchengesetz geregelt werden. Hiervon kann nicht durch Beschluss des Leitungsorgans abgewichen werden.