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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche im Rheinland
Entscheidungsform:Urteil
Datum:16.12.2002
Aktenzeichen:VK 15/2002
Rechtsgrundlage:Art. 117 Abs. 1 KO; Art. 134 KO
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Beschlussfähigkeit, Presbyterium
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Leitsatz:

  1. Die Formulierung „dauernd beschlussunfähig“ in Art. 134 S. 1 KO bedeutet, dass ein Presbyterium etwa nach Rücktritt, Umzug, Tod oder sonstigem Ausscheiden einzelner Mitglieder nicht mehr die erforderliche Zahl von Mitgliedern aufweist, um nach Art. 117 Abs. 1 KO noch beschlussfähig zu sein. Gemeint sind nicht die Fälle vorübergehender Abwesenheit, sondern des endgültigen Ausscheidens von mehr als der Hälfte der Mitglieder.
  2. Die Feststellung der dauernden Beschlussunfähigkeit des Presbyteriums führt nicht zu einer Einschränkung der erneuten Wählbarkeit der bisherigen Presbyterinnen und Presbyter, wie dies im Falle der Auflösung des Presbyteriums nach Art. 133 Abs. 2 KO der Fall sein kann.
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Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand

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Das Presbyterium der Ev. Kirchengemeinde G. bestand ursprünglich aus sieben Mitgliedern (Frau A., Herrn B., Herrn C., den Klägern sowie Pfarrer P.). Am 23. November 1999 beschloss das Kollegium des Landeskirchenamtes, Pfarrer P. gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Pfarrdienstgesetz - PfDG - vom Dienst zu beurlauben. In der Sitzung vom 30.11.1999 beschloss das Kollegium des Landeskirchenamtes darüber hinaus, das Verfahren gemäß Art. 133 der Kirchenordnung im Rheinland – KO - gegen das Presbyterium der Ev. Kirchengemeinde G. zu eröffnen, dem Presbyterium vorläufig die Ausübung seines Amtes zu untersagen und den Kreissynodalvorstand des Beklagten zu bitten, für die Gemeinde Bevollmächtigte zu bestellen, die die Befugnisse des Presbyteriums wahrnehmen.
In einer „Erklärung zur Niederlegung unserer Ämter als Presbyter“ vom 2. Dezember 1999 teilten die Presbyter A., B. und C. mit, sie hätten ihre Ämter als Presbyter der Ev. Kirchengemeinde G. niedergelegt. Nachfolgend traten sie aus der Kirche aus. Mit Schreiben vom 16. Mai 2000 beantragte die Kirchenleitung bei der Verwaltungskammer die Auflösung des Presbyteriums nach Art. 133 Abs. 2 KO – VK 04/2000 -. Diesen Antrag nahm die Kirchenleitung mit Schriftsatz vom 6. August 2002 zurück, nachdem die Verwaltungskammer mit Urteil vom 28. Januar 2002 die gegen die Abberufung aus der Pfarrstelle gerichtete Klage des Pfarrers P. abgewiesen hatte. Mit Beschluss vom 7. Oktober 2002 stellte die Verwaltungskammer das Verfahren VK 04/2000 ein.
Mit Beschluss vom 9. August 2002 stellte der Kreissynodalvorstand des Beklagten die dauernde Beschluss- und Arbeitsunfähigkeit des Presbyteriums der Ev. Kirchengemeinde G. nach Art. 134 KO fest. Vorbehaltlich der Bestätigung der dauerhaften Beschluss- und Arbeitsunfähigkeit des Presbyteriums der Gemeinde G. durch die Kirchenleitung bestellte er zur Leitung der Gemeinde während der Urlaubs- und Ferienzeit den bisherigen Bevollmächtigtenausschuss bis zum 12.09.2002. Unter dem gleichen Vorbehalt bestellte er zur Verwaltung der Pfarrstelle während der Urlaubs- und Ferienzeit als Pfarrverweser Pfr. Q. bis zum 12.09.2002. Die Vertretung während seiner Urlaubszeit übernehme Frau Pfarrerin z.A. Dr. D..
Mit Schreiben vom 20. August 2002 teilte das Landeskirchenamt dem Kreissynodalvorstand mit, das Kollegium des Landeskirchenamtes habe in seiner Sitzung am selben Tage folgenden Beschluss gefasst:
„Der Beschluss des Kreissynodalvorstandes des Ev. Kirchenkreises K. betr. die Feststellung der dauernden Beschlussunfähigkeit des Presbyteriums des Ev. Kirchengemeinde G. gemäß Artikel 134 KO wird bestätigt.“
Der Beklagte teilte dem Kläger zu 1. als stellvertretendem Vorsitzenden des Presbyteriums mit Schreiben vom 28. August 2002, das mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen war, den Beschluss des Kreissynodalvorstandes über die Feststellung der dauerhaften Beschluss- und Arbeitsunfähigkeit sowie die Bestätigung durch das Kollegium des Landeskirchenamtes mit. Gemäß Art. 134 KO werde der Kreissynodalvorstand in seiner Sitzung am 12.09.2002 einen Bevollmächtigtenausschuss zur Leitung der Gemeinde berufen.
Die Kläger haben mit Schreiben vom 19. September 2002, bei der Verwaltungskammer eingegangen am 23. September 2002, die Verwaltungskammer angerufen. Zur Begründung führen sie im Wesentlichen aus: Art. 134 KO regele die Feststellung der Beschluss- oder Arbeitsunfähigkeit unter der Voraussetzung, dass kein Vorwurf der Pflichtverletzung bestehe. Ein solcher sei jedoch in dem Verfahren VK 04/2000 durch die Kirchenleitung erhoben und nicht ausgeräumt worden. Es habe ein abgestimmtes Verhalten des Kreissynodalvorstandes und des Landeskirchenamtes stattgefunden, dessen Rechtmäßigkeit zu überprüfen sei.
Die Kläger beantragen,
den Beschluss des Kreissynodalvorstandes des Beklagten vom 09.08.2002, bestätigt durch das Landeskirchenamt vom 20.08.2002, aufzuheben.
Der Beklagte und die Beigeladenen beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie erläutern die Gründe, die zu der Feststellung der dauernden Beschlussunfähigkeit des Presbyteriums geführt haben, und verwahren sich gegen den Vorwurf, im Verfahren VK 04/2000 habe es zwischen ihnen unrechtmäßige Absprachen gegeben. Der Vorwurf einer Pflichtverletzung sei nicht gegen die Kläger persönlich erhoben worden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird ergänzend auf die Akte der Verwaltungskammer und der eingereichten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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Gründe:

Die Klage, gegen die Zulässigkeitsbedenken nicht bestehen, ist unbegründet. Der Beschluss des Kreissynodalvorstandes des Beklagten vom 09.08.2002 ist in der vom Landeskirchenamt am 20.08.2002 bestätigten Form rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in eigenen Rechten.
Ist ein Presbyterium dauernd beschlussunfähig oder erweist es sich als arbeitsunfähig, ohne dass es als solches seine Pflicht verletzt hat, so ist durch den Kreissynodalvorstand die Beschluss- oder Arbeitsunfähigkeit festzustellen, Art. 134 S. 1 KO. Zur Wirksamkeit bedarf der Beschluss der Bestätigung durch die Kirchenleitung, Art. 134 S. 2 KO. Gegen den bestätigten Beschluss kann nach Maßgabe des Art. 134 S. 3 KO die Verwaltungskammer angerufen werden.
Gegenstand des Verfahrens ist hier der Beschluss des Kreissynodalvorstandes des Beklagten über die „ dauerhafte Beschluss- und Arbeitsunfähigkeit“ des Presbyteriums nur insoweit, als er die dauernde Beschlussunfähigkeit feststellt. Das Kollegium des Landeskirchenamtes hat in seiner Sitzung vom 20.08.2002 (nur) den auf die Feststellung der dauernden Beschlussunfähigkeit gerichteten Teil bestätigt, wie sich aus der entsprechenden Mitteilung des Landeskirchenamtes an den Kreissynodalvorstand vom selben Tage ergibt.
Die Voraussetzungen für die Feststellung der dauernden Beschlussunfähigkeit lagen vor.
Die Formulierung „dauernd beschlussunfähig“ bedeutet, dass ein Presbyterium etwa nach Rücktritt, Umzug, Tod oder sonstigem Ausscheiden einzelner Mitglieder nicht mehr die erforderliche Zahl von Mitgliedern aufweist, um nach Art. 117 Abs. 1 KO noch beschlussfähig zu sein. Gemeint sind nicht die Fälle vorübergehender Abwesenheit, sondern des endgültigen Ausscheidens von mehr als der Hälfte der Mitglieder.
Ein solcher Fall lag hier im Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses vor. Das ursprünglich aus sieben Mitgliedern ( Art. 104 Abs. 1, 107 KO) bestehende Presbyterium bestand nach Rücktritten der Presbyter A., B. und C. im Dezember 1999 sowie nach rechtskräftiger Abberufung des Pfarrers P. – VK 09/2000 – nur noch aus den drei Klägern, mithin aus weniger als der Hälfte seines ordentlichen Mitgliederbestandes.
Die Feststellung der dauernden Beschlussunfähigkeit konnte erfolgen, obwohl der Kreissynodalvorstand bereits mit Beschluss vom 09.08.2002, vorbehaltlich der Bestätigung der Beschlussunfähigkeit durch die Kirchenleitung, zur Verwaltung der Pfarrstelle während der Urlaubs- und Ferienzeit als Pfarrverweser Pfarrer Q. bis zum 12.09.2002 – und danach bei Berufung eines Bevollmächtigtenausschusses nach Art. 134 S. 4 KO eine andere Pfarrerin als „Vakanzvertreterin“ bestellt hat. Die Bestellungen erfolgten vorbehaltlich der Bestätigung der Feststellung der Beschlussunfähigkeit bzw. danach. Das zeigt, dass die Vertreter nicht mit der vollen Verwaltung der Pfarrstelle unter Einschluss einer Mitgliedschaft im bisherigen Presbyterium beauftragt werden sollten. Die vorübergehende Vertretungsbestellung während der Ferienzeit einerseits und die bloße Vakanzvertretung bei Berufung eines neuen Bevollmächtigtenausschusses andererseits zeigen vielmehr, dass lediglich eine insoweit eingeschränkte Verwaltung gemeint war, die die Feststellungen zur Beschlussunfähigkeit des Presbyteriums unberührt ließ.
Die Kläger können dem angefochtenen Beschluss nicht mit Erfolg entgegenhalten, er beruhe auf unrechtmäßigen Absprachen zwischen dem Kreissynodalvorstand und dem Landeskirchenamt. Ist eine dauernde Beschlussunfähigkeit des Presbyteriums gegeben, „ ist“ dies nach Art. 134 S. 1 KO zwingend durch den Kreissynodalvorstand festzustellen, ohne dass die Ursachen für die Beschlussunfähigkeit von Bedeutung sind oder weitere Voraussetzungen vorliegen müssen. Insbesondere erfordert die Feststellung der dauernden Beschlussunfähigkeit entgegen der Ansicht der Kläger nicht, dass zuvor ein gegenüber dem bisherigen Presbyterium bestehender Vorwurf der Pflichtverletzung ausgeräumt worden ist. Soweit Art. 134 S. 1 KO eine Einschränkung enthält („ohne dass es als solches seine Pflicht verletzt hat“), bezieht sich dies nur auf die in Art. 134 S. 1 KO enthaltene zweite Alternative einer Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (vgl. Becker, Die Kirchenordnung der Ev. Kirche im Rheinland, Art. 134 Rd. 2).
Die Feststellung der dauernden Beschlussunfähigkeit führt auch nicht zu einer Einschränkung der erneuten Wählbarkeit der bisherigen Presbyter, wie dies im Falle der Auflösung des Presbyteriums nach Art. 133 Abs. 2 KO der Fall sein kann. Soweit die Kläger befürchten, im Verfahren VK 04/2000 erhobene, letztlich dort wegen der Antragsrücknahme nicht abschließend geklärte Vorwürfe könnten sie künftig benachteiligen, kann dies nach den o.a. Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 134 S. 1 KO bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Feststellung der dauernden Beschlussunfähigkeit keine Bedeutung haben. Im Übrigen hat die Vertreterin der Beigeladenen zu 1. in der mündlichen Verhandlung klargestellt, der Vorwurf einer persönlichen Pflichtverletzung werde gegenüber den Klägern nicht erhoben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 66 Abs. 1, 71 VwGG, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 VwKG vorliegt.