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Kirchengericht:Verwaltungsgericht der Evangelischen Kirche im Rheinland
Entscheidungsform:Urteil
Datum:21.12.2011
Aktenzeichen:1 VG 01/2009
Rechtsgrundlage:§ 90 Abs. 2 PfDG; Beschluss Nr. 9 der Landessynode vom 10.01.2007; Richtlinien zum zentralen Bewerbungsverfahren für den Pfarrdienst vom 29.11.2007
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Auswahlgespräch, Dokumentation des Prüfungsablaufs, Widerruf eines Beschäftigungsauftrages, zentrales Auswahlverfahren
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Leitsatz:

Das zentrale Auswahlverfahren stellt keine gesetzliche Prüfung dar, so dass insoweit nicht die strengen Regeln über die Durchführung und Dokumentation des Prüfungsablaufs grundlegender Eignungsprüfungen gelten. Daher ist es bezüglich der Dokumentation des Auswahlgesprächs im zentralen Auswahlverfahren lediglich erforderlich, dass an Hand vorgelegter Unterlagen die Stationen des Gesprächsverlaufs und die für die Entscheidung wesentlichen Gründe nachvollziehbar sind.
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Tenor:

Der Bescheid des Landeskirchenamtes der Beklagten vom 29. April 2008 betreffend den Widerruf des Beschäftigungsauftrages in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landeskirchenamtes vom 28. November 2008 wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beklagten, die diese selbst trägt.
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Tatbestand

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Die 1960 geborene Klägerin bestand die erste theologische Prüfung 1985 und die zweite 1987. Ab Oktober 1987 war sie zunächst Pastorin im Hilfsdienst und von April 1989 bis zu ihrer Abberufung zum November 1997 Pfarrerin in G.. Von Mai 1998 bis Oktober 1998 erhielt die Klägerin einen Beschäftigungsauftrag von 100% eines uneingeschränkten Dienstverhältnisses in Essen und ab November 1998 in Höhe von 75%. Ein gleichfalls 75%-iger Beschäftigungsauftrag schloss sich ab Juni 2005 im Kirchenkreis K. an. Mit Schreiben vom 10. Oktober 2007 verlängerte das Landeskirchenamt den Beschäftigungsauftrag bis zum Vorliegen des Ergebnisses eines Auswahlverfahrens zur Vergabe landeskirchlicher Pfarrstellen mit besonderem Auftrag (mbA-Stellen).
Mit Beschluss Nr. 9 hatte die Landessynode der Beklagten am 10. Januar 2007 beschlossen, für Pfarrerinnen und Pfarrer im Wartestand und für aus der Pfarrstelle Abberufene ein zentrales Auswahlverfahren durchzuführen. Für Pfarrerinnen und Pfarrer, die das zentrale Auswahlverfahren erfolgreich absolviert haben, sollten auf landeskirchlicher Ebene Pfarrstellen mit besonderem Auftrag errichtet werden. Nach Nr. II.5. des Beschlusses werden Pfarrerinnen und Pfarrer im Wartestand, die nicht in eine mbA-Stelle berufen worden sind, gemäß § 91 PfDG in der Regel nach drei Jahren in den Ruhestand versetzt.
Die Klägerin nahm am 22. April 2008 am zentralen Auswahlverfahren teil.
Mit Bescheid vom 29. April 2008 teilte das Landeskirchenamt der Beklagten der Klägerin mit, aufgrund der Empfehlungen der Auswahlkommission habe das Kollegium des Landeskirchenamtes am 29. April 2008 den Beschluss gefasst, sie nicht in eine mbA-Stelle zu berufen, weil eine entsprechende Eignung von der Auswahlkommission nicht festgestellt worden sei. Die Klägerin habe mit 34,7 Punkten zwar die Mindestpunktzahl von 30 Punkten erreicht. Sie habe aber in 4 Kompetenzbereichen nicht die erforderliche Mindestpunktzahl von 3 bzw. 4 Punkten erreicht. Zugleich widerrief das Landeskirchenamt den der Klägerin erteilten Beschäftigungsauftrag unter Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Ablauf des 30. Juni 2008.
Zur Begründung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 29. April 2008 trug die Klägerin im Wesentlichen vor: Die Punktevergabe in den einzelnen Kompetenzbereichen sei nicht nachvollziehbar. So habe sie in dem Bereich „Theologische Kompetenz“ 3,3 Punkte erhalten, obwohl laut Protokoll von 16 Fragen nur 2 negativ beantwortet worden seien. Auch in den übrigen Bereichen seien unklare und negative Bewertungen vorgenommen worden, deren Veranlassung, Bedeutung und Einordnung in einen sachlichen und nachvollziehbaren Bewertungsmaßstab nicht erkennbar seien. Es stelle sich überhaupt die Frage, ob über die berufliche Zukunft bewährter Mitarbeiter durch eine einmalige Prüfung in der durchgeführten Form entschieden und eine solche Prüfung auf Warteständler beschränkt werden konnte.
Mit Bescheid des Landeskirchenamtes vom 28. November 2008, der Klägerin zugestellt am 3. Dezember 2008, wies die Kirchenleitung der Beklagten den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Die Nichtberufung der Klägerin in eine Pfarrstelle mit besonderem Auftrag sei rechtmäßig. Gemäß § 27 Abs. 4 PfDG richte sich die Übertragung einer Pfarrstelle bei Beachtung der Voraussetzungen des
§ 27 Abs. 1 bis 3 PfDG nach gliedkirchlichem Recht. Nach dem Recht der Beklagten stehe die Übertragung einer Pfarrstelle, die dem Besetzungsrecht der Landeskirche unterliege, im pflichtgemäßen Ermessen der Kirchenleitung. In Ausübung dieses Ermessens habe die Kirchenleitung zur Besetzung der landeskirchlichen Pfarrstellen mit besonderem Auftrag Richtlinien erlassen. Zum Erlass dieser Richtlinien, mit denen der Beschluss der Landessynode vom 10. Januar 2007 umgesetzt werde, sei die Kirchenleitung gemäß § 106 iVm § 27 PfDG ermächtigt. Die Entscheidung, die Klägerin nicht in eine Pfarrstelle mit besonderem Auftrag zu berufen, sei auf der Grundlage der Richtlinien und unter Berücksichtigung des Ergebnisses des Auswahlverfahrens getroffen worden. Auch der Widerruf des Beschäftigungsauftrages sei rechtmäßig. Er finde in § 90 Abs. 2 PfDG seine Rechtsgrundlage. Grundsätzlich sei der Widerruf eines erteilten Beschäftigungsauftrages möglich. Bei der Ermessensentscheidung darüber sei die Kirchenleitung an den Beschluss Nr. 9 der Landessynode vom 10. Januar 2007 gebunden gewesen, wonach Pfarrerinnen und Pfarrer im Wartestand, die nicht in eine mbA-Stelle berufen worden sind, gemäß § 91 PfDG in der Regel nach drei Jahren in den Ruhestand versetzt werden. Ohne den Widerruf des Beschäftigungsauftrages wäre der Lauf der Frist gehemmt und die im Beschluss der Landessynode vorgesehene Versetzung in den Ruhestand nicht möglich. Soweit dem Landeskirchenamt noch ein begrenzter Ermessensspielraum zur Verfügung gestanden habe, habe es davon Gebrauch gemacht und in der Begründung des angegriffenen Bescheides dargelegt, welche Ermessenserwägungen der Entscheidung zu Grunde liegen. Aus dieser Darlegung ergebe sich, dass das Landeskirchenamt sowohl den Beschluss der Landessynode als auch die persönliche Lage der Widerspruchsführerin berücksichtigt habe. Der Widerruf des Beschäftigungsauftrages verletze auch nicht die Fürsorgepflicht, da diese dem Dienstherrn nur gebiete, den Pfarrerinnen und Pfarrern im Wartestand bei der Übertragung einer Pfarrstelle behilflich zu sein, sich aus ihr aber kein Anspruch auf Erteilung von Beschäftigungsaufträgen ergebe. Ein Verstoß gegen den gebotenen Vertrauensschutz bestehe gleichfalls nicht. Nach der gesetzlichen Regelung sei ein unbefristeter Auftrag jederzeit widerrufbar und auch in der Vergangenheit seien Beschäftigungsaufträge widerrufen worden. Zudem sei im Bereich der Beklagten schon ab Januar 2005 über die Möglichkeit der Reduzierung der Anzahl von Pfarrerinnen und Pfarrern im Wartestand diskutiert worden. Zur Rechtmäßigkeit des Bescheides des Landeskirchenamtes im Übrigen werde auf eine Stellungnahme des Landeskirchenamtes vom 15. September 2008 zur gutachterlichen Stellungnahme des Prof. Dr. Kirchberg vom 15. April 2008 bzw. zu einem Rechtsgutachten von Prof. Dr. Dr. Link vom 14. Juli 2008 Bezug genommen.
Die Klägerin hat am 2. Januar 2009 Klage erhoben.
Zur Begründung der Klage trägt sie ergänzend vor: Der Widerspruchsbescheid sei nicht auf die Begründung des Widerspruchs eingegangen. Das zentrale Auswahlverfahren des Beklagten sei nicht als bloßes Bewerbungsverfahren, sondern als eine grundlegende Eignungsprüfung zu bewerten und müsse die dementsprechenden Anforderungen erfüllen. Dem sei das Verfahren hinsichtlich seiner Konzeption, Durchführung und Nachvollziehbarkeit nicht gerecht geworden. Die grundsätzlichen Bedenken des Prof. Dr. Dr. Link würden geteilt.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Landeskirchenamtes der Beklagten vom 29. April 2008 und des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2008 zur Neuentscheidung zu verpflichten und festzustellen, dass die Klägerin das zentrale Auswahlverfahren bestanden hat und bei Bewerbungen für jede Stelle zu berücksichtigen ist,
2. die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie rechtfertigt die Beurteilungen und die Art des Verfahrens.
Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der genannten gutachterlichen Stellungnahmen sowie der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
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Gründe:

Die Klage hat Erfolg, soweit sie sich gegen den mit Bescheid vom 29. April 2008 verfügten Widerruf des von der Klägerin wahrgenommenen Beschäftigungsauftrages richtet, denn der Widerrufsbescheid ist aus den Gründen der in das Verfahren eingeführten und den Beteiligten bekannten Entscheidung des VGH, Urteil vom 10. Dezember 2010 – VGH 6/09 – rechtswidrig. Der Beschäftigungsauftrag war zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides bereits erloschen, da die Beklagte diesen mit Bescheid vom 10. Oktober 2007 nur bis zum Vorliegen des Ergebnisses des Auswahlverfahrens verlängert hatte. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die genannte Entscheidung des VGH verwiesen, der entgegenzutreten die Kammer keine Veranlassung sieht. Der den Widerruf betreffende Erfolg der Klage wiegt für die Klägerin jedoch gering, weil er ihr angesichts der Regelung des Bescheides vom 10. Oktober 2007 keinen Anspruch auf Fortsetzung des Beschäftigungsauftrags gibt.
Die Klage im Übrigen ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 71 VwGG – jetzt § 65 VwGG.EKD – i. V. m. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Die grundsätzlichen Fragen in Zusammenhang mit dem mbA-Verfahren sind durch die kirchliche Rechtsprechung geklärt. Auch insoweit wird auf das Urteil des VGH vom 10. Dezember 2010 verwiesen, mit dem der VGH das vorangegangene Urteil der Kammer vom 11. September 2009 – VK 10/2009 – und die das Urteil tragenden Gründe bestätigt hat.
Auf den Vortrag der Klägerin bleibt zu ergänzen:
Die Beanstandungen der Klägerin hinsichtlich der Art des Auswahlverfahrens, seiner Durchführung, Bewertung und Protokollierung führen nicht zum Erfolg der Klage. Das Auswahlverfahren stellt, wie es auch der VGH klargestellt hat, keine gesetzliche Prüfung dar, so dass insoweit nicht die strengen Regeln über die Durchführung und Dokumentation des Prüfungsablaufs grundlegender Eignungsprüfungen gelten. Das Auswahlgespräch ist vielmehr Teil des personalpolitischen Ermessens des Dienstherrn, wer eine mbA-Stelle erhält und ggfls. welche. In der staatlichen Rechtsprechung ist hinsichtlich vergleichbarer Einstellungsgespräche für Beamtenstellen geklärt, dass es keine Pflicht etwa zur schriftlichen Aufzeichnung gibt (BVerwG, Urteil vom 6. 4. 1989 – 2 C 9/87 –). Erforderlich ist lediglich, dass an Hand vorgelegter Unterlagen die Stationen des Gesprächsverlaufs und die für die Entscheidung wesentlichen Gründe nachvollziehbar sind. Dieses Erfordernis wird hier erfüllt. Die von der Beklagten vorgelegte Vorgangsakte, enthält eine Übersicht über die bewerteten Kompetenzen der Klägerin (Bl. 8 d.A.) mit schlagwortartigen Begründungen (Bl. 9 ff d.A.) sowie ein fünfseitiges „Kurzprotokoll der Ergebnisse des Auswahlverfahrens“ (Bl. 12 d.A.) und eine zusätzliche Kurzbewertung. An Hand dieser Unterlagen und der Klageerwiderung der Beklagten, mit der diese im gerichtlichen Verfahren zu einzelnen Kritikpunkten der Klägerin Stellung genommen hat, ist das Auswahlgeschehen in ausreichender Weise nachvollziehbar dokumentiert, so dass trotz der von der Klägerin vorgetragenen Einzel – Kritikpunkte das Gesamtergebnis nachvollzogen werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 2 VwGG – jetzt § 60 Abs. 2 VwGG.EKD. Sie entspricht sachlich der in der Vorschrift vorgesehenen Entscheidung, die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben. Einer Entscheidung über die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten zum Vorverfahren bedurfte es angesichts der getroffenen Kostenentscheidung nicht mehr.