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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche im Rheinland
Entscheidungsform:Urteil
Datum:22.04.1997
Aktenzeichen:VK 11/1995
Rechtsgrundlage:§§ 3 Abs. 1 Satz 2 AG PfausbG, § 9 Abs. 1 Satz 2 PrüfO
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Zweite Theologische Prüfung
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Leitsatz:

  1. Das von einem Prüfer erstellte und verwendete Benotungsraster ist nicht zu beanstanden, wenn es eine möglichst objektive Beurteilung sämtlicher vorliegenden schriftlichen Prüfungsarbeiten der gleichen Art ermöglicht. Der Prüfer hält sich innerhalb des ihm zustehenden Beurteilungsspielraumes, wenn dieses Benotungsraster mithilfe der Hinweise zur Erstellung des Praxisobjektes erstellt wurde und nicht gegen diese Hinweise verstößt.
  2. Die Beurteilung, ob der Prüfling das Grobziel und auch die Feinziele seines kirchlichen Unterrichtes nachvollziehbar dargestellt hat, ist ausschließlich Sache des fachkundigen Gutachters und betrifft den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum.
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Tenor:

Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gebühren- und auslagenfrei.
Die außergerichtlichen Kosten trägt jede Partei selbst.
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Tatbestand:

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Der Antragsteller hat am 15. März 1995 die Zweite Theologische Prüfung bei einem Notendurchschnitt von 2,56 mit “befriedigend” bestanden. Für das Praxisprojekt und den Entwurf einer Unterrichtseinheit hatte er jeweils die Note “mangelhaft” erhalten.
Das Praxisprojekt haben der erste Gutachter mit “mangelhaft”, der zweite mit “ausreichend” und der dritte mit “mangelhaft” bewertet. Für den Entwurf einer Unterrichtseinheit erhielt der Antragsteller von dem ersten Gutachter die Note “mangelhaft”, von dem zweiten die Note “befriedigend” und von dem dritten wiederum die Note “mangelhaft”. Wegen der Einzelheiten wird auf die Notenübersicht vom 15. März 1995 sowie die Voten der Prüfer Bezug genommen.
Den Widerspruch des Antragstellers gegen das Ergebnis seines Zweiten Theologischen Examens hat der Beschwerdeausschuß durch Bescheid vom 22. Mai 1995, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, als unbegründet zurückgewiesen. Gegen diesen ihm am 13. Juni 1995 zugestellten Bescheid hat der Antragsteller mit einem am 11. Juli 1995 eingegangenen Schriftsatz die Verwaltungskammer angerufen.
Der Antragsteller erhebt folgende Einwendungen gegen die Beurteilungen des Praxisprojektes und des Entwurfs einer Unterrichtseinheit:
Beim Praxisprojekt habe der erste Gutachter bewußt nicht die Ziele dieser Arbeit, sondern seine eigene Erwartung bewertet. Der Prüfer habe bewerten wollen, was nicht in der Intention der Arbeit gelegen habe und darum auch gar nicht in ihr zu finden gewesen sei. Das Benotungsraster dieses Prüfers stimme nicht mit den Hinweisen zur Erstellung des Praxisprojektes überein. Die Verwaltungskammer möge prüfen, ob es überhaupt zulässig sei. Auch lägen die vom Prüfer gerügten Rechtschreibemängel nicht vor. Bei dem einen handele es sich eindeutig um einen Tippfehler; im zweiten Falle habe er einen terminus technicus der Didaktik verwendet, der dem Prüfer unbekannt zu sein scheine. Der dritte Gutachter arbeite ähnlich sachfremd wie der Erstgutachter. Soweit er eine Bestimmung dessen verlange, was er – der Antragsteller – tatsächlich habe erarbeiten wollen, habe das nicht im Gefälle seines Projektes gelegen. Es sei um einen gemeinsamen Lernprozess und nicht um das Erarbeiten eines Lernstoffes gegangen. Ab Punkt 5 seines Gutachtens bewerte der Prüfer nur noch seine, des Antragstellers, Person. Der Prüfer, Herr Landeskirchenrat G., habe aber sein Verhalten zu keiner Zeit beobachten können, so wie er ja auch das Verhalten des Prüfers nur aus der Presse kenne. Er würde sich allerdings nicht erlauben, von der Person des Landeskirchenrates G. Aussagen zu machen wie: “Verfasser überschätzt sich selbst und erkennt nicht einmal, wie direktiv er/sie alles in der Hand hält”. Der Antragsteller spricht die Vermutung aus, daß dem Prüfer bekannt gewesen sei, wer die Arbeit gefertigt hatte.
Bezüglich des Votums des ersten Prüfers zum Entwurf einer Unterrichtseinheit sei ihm auch nach reichlicher Überlegung nicht klar geworden, was dieser Prüfer an dem Grobziel für diese Unterrichtsreihe “Jesus befreit zum Leben” nicht verstanden haben könne. Selbst wenn er die theologischen Aussagen dieses Zieles nicht teilen könne, müsse ihm, gebunden an die Barmer Theologische Erklärung, das vorgetragene Verständnis evangelischer Freiheit geläufig und bekannt sein. Natürlich könne er aber deshalb auch die Feinziele des Unterrichtsentwurfes nicht respektieren. Vollends unbegreiflich müsse ihm dann auch die musikalische Arbeit im Projekt mißfallen. Hier sei wohl offensichtlich, daß der Prüfer die Arbeit nicht wegen schlechter Begründungen, sondern aus theologischen, oder wohl eher noch aus ideologischen Gründen “herunterbewerte”. Es sei ihm nicht bewußt gewesen, daß es zu den Anforderungen des Zweiten Theologischen Examens gehöre, die dogmatischen Einstellungen potentieller Gutachter proleptisch zu befriedigen. Der dritte Gutachter verlasse die Ebene der Sachkritik und beanstande theologische Entscheidungen. Zum Beispiel werde sein Ziel, daß die Schüler einen emotionalen Zugang zum Thema bekommen sollten, mit folgendem Satz bewertet: “Diese Argumentation ist nun gar nicht zu akzeptieren”. Es gehe aber nicht um die Akzeptanz durch den Prüfer, sondern um die Sachlogik seiner, des Antragstellers, Ausführungen. Auch sonst arbeite dieser Prüfer mit dem Muster Akzeptanz/Inakzeptanz. Seine Argumente nehme der Prüfer in “keinster Weise” zur Kenntnis, auch nicht die Tatsache, daß er seine Argumentation mit der Fachliteratur unterstützt habe. Das von diesem Prüfer unter Punkt 7 kritisierte Schema für die ausgeführte Stunde sei durchaus in der Fachliteratur zu finden. Gerade dieses Schema habe der erste Prüfer als akzeptabel gelobt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Antragstellers vom 29. März und 16. November 1995 verwiesen.
Der Antragsteller beantragt,
die Entscheidung des Antragsgegners vom 15. März 1995 sowie den Beschluß des Beschwerdeausschuss vom 22. Mai 1995 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, über das Ergebnis der Zweiten Theologischen Prüfung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Verwaltungskammer neu zu entscheiden.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er bezieht sich hierzu auf den Bescheid des Beschwerdeausschusses vom 22. Mai 1995 und die von ihm aufgrund des Beschlusses der Verwaltungskammer vom 26. Februar 1996 eingeholten Stellungnahmen der Prüfer Landeskirchenrat G. und Pfarrer Dr. N. (Praxisprojekt) sowie Oberkirchenrat B. (Entwurf einer Unterrichtseinheit).
Diese drei Prüfer haben sich nicht veranlaßt gesehen, aufgrund der Einwendungen des Antragstellers ihre ersten Beurteilungen abzuändern. Wegen der Einzelheiten wird auf die Stellungnahme des Pfarrers Dr. N. vom 30. Oktober 1996, die des Landeskirchenrates G. vom 7. November 1996 und die des Oberkirchenrates B. vom 1. November 1996 verwiesen.
Die Parteien haben sich im Termin vom 26. Februar 1996 mit einer Entscheidung ohne erneute mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
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Gründe:

Da die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungskammergesetz erfüllt sind, kann die Kammer ohne erneute mündliche Verhandlung entscheiden.
Der Antrag ist zulässig (§ 3 des Rheinischen Ausführungsgesetzes zum Pfarrerausbildungsgesetz, § 9 der Prüfungsordnung für die Erste und Zweite Theologische Prüfung). Die von dem Antragsteller beanstandeten Bewertungen seiner schriftlichen Prüfungsleistungen “Praxisprojekt” und “Entwurf einer Unterrichtseinheit” sind für das Gesamtergebnis seiner Zweiten Theologischen Prüfung im Sinne dieser Vorschriften erheblich. Müßte nur eine dieser Bewertungen auf “ausreichend” angehoben werden, so würde der Antragsteller die Zweite Theologische Prüfung bei einem Notendurchschnitt von 2,44 mit dem Gesamtergebnis “gut” bestehen. Auch macht der Antragsteller Rechtsverstöße im Sinne der §§ 3 Abs. 1 Satz 2 Rheinisches Ausführungsgesetz zum Pfarrerausbildungsgesetz und 9 Abs. 1 Satz 2 der Prüfungsordnung für die Erste und Zweite Theologische Prüfung geltend. Gegen die erste und dritte Beurteilung des Praxisprojektes und die dritte Beurteilung des Entwurfs einer Unterrichtseinheit erhebt er Einwendungen tatsächlicher Art, die, träfen sie zu, eine bessere Benotung rechtfertigen könnten. Dagegen erhebt er im Falle der ersten Beurteilung des Entwurfs einer Unterrichtseinheit lediglich Einwendungen gegen den von dem Prüfer angelegten Beurteilungsmaßstab. In diesen Beurteilungsspielraum des Prüfers kann die Verwaltungskammer jedoch nicht eingreifen, weil sie keine größere Fachkompetenz als der Prüfer besitzt (So die ständige Rechtsprechung der Kammer, siehe zum Beispiel die Urteile vom 11. April 1994 – VK 14/1993 – und vom 18. Dezember 1995 – VK 14/1994 –).
Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die von dem Antragsgegner aufgrund des Beschlusses der Kammer vom 26. Februar 1996 veranlaßte Überprüfung der Benotung der schriftlichen Prüfungsleistungen des Antragstellers “Praxisprojekt” und “Entwurf einer Unterrichtseinheit” hat nämlich ergeben, daß es bei diesen Noten verbleiben muß.
Praxisprojekt:
Keine der vom Antragsteller gegen die Voten des Pfarrers Dr. N. und des Landeskirchenrates G. erhobenen Einwendungen hat sich als begründet erwiesen. Das von Pfarrer Dr. N. erstellte Benotungsraster ist nicht zu beanstanden; es ist vielmehr geeignet, dem Prüfer eine möglichst objektive Beurteilung sämtlicher ihm vorliegenden schriftlichen Prüfungsarbeiten der gleichen Art zu ermöglichen. Es ist auch nicht ersichtlich, wieso es gegen die Hinweise zur Erstellung des Praxisprojektes verstoßen könnte. Zudem hat der Prüfer erklärt, daß er dieses Benotungsraster mit Hilfe dieser Hinweise erarbeitet habe; insoweit hat er sich innerhalb des ihm zustehenden Beurteilungsspielraumes gehalten.
In seiner Stellungnahme vom 30. Oktober 1996 hat Pfarrer Dr. N. die Einwendungen des Antragstellers gegen sein erstes Votum vom 20. November 1994 überzeugend und widerspruchsfrei zurückgewiesen. Er ist dabei geblieben, daß es der Antragsteller versäumt hat, seine zunächst richtigerweise angestrebte induktive Vorgehensweise zumindest zu modifizieren, daß sein theoretischer Ansatz nicht durchzuhalten war. Auch rückt er nicht von seiner Bewertung ab, daß die eingesetzten Medien für die Teilnehmer eine inhaltliche Überforderung und von der graphischen Gestaltung unzulänglich gewesen seien. Im Blick auf die Teilnehmer (darunter zehn Frauen über 70 Jahre alt, verschiedener Bildungsstand der Teilnehmer) und die strukturellen Planungsvorgaben ziehe der Antragsteller keine Konsequenzen hinsichtlich seiner Ziele. Die Argumentation des Antragstellers habe ihn in seiner Notenfindung bestärkt. Planung und Zielsetzung des Praxisprojektes gingen hinsichtlich der Durchführung und Evaluation völlig auseinander. Wenn der Gutachter angesichts dieser von ihm aufgezeigten Mängel bei der Note “mangelhaft” verbleibt, so ist dies durch den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum gedeckt. Die von Dr. N. gerügten Rechtschreibefehler haben hierbei keine entscheidende Rolle gespielt, wie sich aus dem Benotungsraster ergibt. Sie haben lediglich zu einem Abzug von drei sog. Rohpunkten geführt. Entfiele dies, hätte der Antragsteller nicht lediglich 45, sondern 48 Rohpunkte erreicht. Dies ist ein Wert, bei dem Dr. N. – wie das Benotungsraster ausweist – auch nur die Note “mangelhaft” erteilt hätte.
Auch Landeskirchenrat G. hat überzeugend dargelegt, daß die Einwendungen des Antragstellers gegen sein Votum vom 28. Februar 1995 unbegründet sind. Er stelle einmal nicht in Abrede, daß der Antragsteller einen gemeinsamen Lernprozess beabsichtigte. Aber auch dann seien inhaltliche didaktische Konsequenzen zu benennen, die jedoch fehlten. Er kritisiere nicht allein die Darstellung der allgemeinen Wohnsituation, sondern bestehende (oder auch nicht) Sozialformen im Gemeinwesen (z.B. Vereine, Traditionen, Frömmigkeitsstrukturen). Entgegen der Annahme des Antragstellers kritisiere er auch nicht dessen Person, sondern seine Rolle als Leiter der Erwachsenenbildungsmaßnahmen. Der Antragsteller stelle einerseits selbst fest, Frau C. habe sich nicht äußern können, das Plakat sei von ihr vom Rollstuhl aus nicht zu erreichen gewesen. Das sei ein Planungsfehler gewesen, der gerade für die Rollstuhlfahrerin einem Ausschluß gleichgekommen sei. Dies habe auch dem Ansatz widersprochen, einen gemeinsamen Lernprozess zu beabsichtigen. Seine, des Gutachters, Aufgabe sei es gewesen, das Rollenverhalten des Verfassers des Praxisprojektes zu beurteilen. Wer mit dem Ansatz starte, teilnehmerorientierte Lernprozesse in Gang zu setzen, müsse es hinnehmen, wenn im weiteren Verlauf (des Votums – Zusatz durch die Verwaltungskammer) dieses selbst erwähnte Kriterium kritisch angeführt werde, falls sich der Verfasser entgegen der eigenen Vorgabe verhalte. Auch dieser Gutachter hält sich innerhalb seines Beurteilungssspielraumes, wenn er aus diesen Ausführungen den Schluß zieht, daß es bei der Note seines ersten Votums verbleiben müsse.
Entwurf einer Unterrichtseinheit:
Bezüglich des Votums des ersten Gutachters macht der Antragsteller in seinem an den Beschwerdeausschuß gerichteten Schriftsatz vom 29. März 1995 in zudem wenig sachlicher Form lediglich Einwendungen geltend, die den Beurteilungsspielraum dieses Prüfers betreffen. Es ist ausschließlich Sache des fachkundigen Gutachters zu beurteilen, ob der Antragsteller das Grobziel und auch die Feinziele seines kirchlichen Unterrichtes nachvollziehbar dargestellt hat. Das alles hat nichts mit der polemischen Frage des Antragstellers zu tun, ob es zu den Anforderungen des Zweiten Theologischen Examens gehöre, die dogmatischen Einstellungen potentieller Gutachter proleptisch zu befriedigen.
Die Stellungnahme des Oberkirchenrates B. vom 1. November 1996 ist zwar relativ kurz, reicht aber aus, um die Einwendungen des Antragstellers gegen das Votum dieses Gutachters vom 25.1.1995 zurückzuweisen. Der Antragsteller beanstandet im wesentlichen an diesem Votum, daß Oberkirchenrat B. nach dem Muster Akzeptanz/Inakzeptanz arbeite. Es gehe aber nicht um die Akzeptanz seitens des Gutachters, sondern um die Sachlogik seiner, des Antragstellers, Ausführungen. Dem hält Oberkirchenrat B. entgegen: Was an der Arbeit kritisiert werde, befinde sich in einem argumentativen Zusammenhang, der sowohl die theologische wie die didaktische Ebene umfasse. Was nicht akzeptiert werden könne, seien fehlende theologische Begründungszusammenhänge und didaktische Entscheidungsvorgänge. Dies ist eine Beurteilung, die offensichtlich durch die Feststellungen in dem ersten Votum gedeckt ist. Dort führt der Gutachter aus, daß der Verfasser der Arbeit an verschiedenen Stellen die Konsequenzen aus zuvor niedergelegten Darstellungen nicht ziehe. Grobziel der Unterrichtsreihe sollte sein: “Jesus befreit zum Leben”. Wie aus dem Votum des Oberkirchenrates B. vom 25.1.1995 hervorgeht, hat es der Antragsteller jedoch an den verschiedensten Stellen seiner Arbeit versäumt, die ekklesiologische Dimension des Freiheitsbegriffes gebührend zu erörtern. All dies führt dazu, daß sich auch dieser Gutachter mit der Benotung “mangelhaft” innerhalb des ihm zustehenden Ermessensspielraumes bewegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 29 Verwaltungskammergesetz.