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Kirchengericht: | Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche im Rheinland |
Entscheidungsform: | Urteil |
Datum: | 29.04.1991 |
Aktenzeichen: | VK 09/1990 |
Rechtsgrundlage: | § 9 der Prüfungsordnung für die Erste und Zweite Theologische Prüfung in der Evangelischen Kirche im Rheinland; § 4 Abs. 4 Satz 1 PrO 71 i.V.m. § 23 Abs. 3 PrO 84 |
Vorinstanzen: | keine |
Schlagworte: | Erste Theologische Prüfung |
Leitsatz:
- Das Rechtsschutzbedürfnis ist auch gegeben, wenn sich bei einer Verbesserung der Zensur für die mündliche Prüfung in dem Fach „Kirchen- und Theologiegeschichte“ das Gesamtergebnis des Examens nicht ändert, weil es ist nicht vorhersehbar ist, ob für den beruflichen Werdegang des Prüflings gerade diese Einzelnote von Bedeutung sein wird.
- Der Verwaltungskammer steht eine Überprüfungskompetenz nur zu, wenn ein das Prüfungsergebnis beeinflussender Verfahrensverstoß erfolgt ist, der Beurteilende sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen, von falschen Tatsachen ausgegangen ist oder allgemeingültige Bewertungsgrundsätze nicht beachtet hat.
- Stehen für das Spezialgebiet nur 10 Minuten Prüfungszeit zur Verfügung und soll in dieser kurzen Zeit eine Erkenntnis über das Wissen des Kandidaten möglich sein, so muss die angesetzte Zeit auch hierfür verwendet werden.
Tenor:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht auslagen- und gebührenfrei.
Die außergerichtlichen Kosten trägt jede Partei selbst.
#Tatbestand
###Nach einem Theologiestudium unterzog der Antragsteller sich am 9./10. März 1990 der Ersten Theologischen Prüfung, die er mit der Note “befriedigend” bestand. Seine mündliche Prüfung in dem Fach “Kirchen- und Theologiegeschichte” war mit mangelhaft, seine Klausur in demselben Fach dagegen mit gut bewertet worden.
Gegen das Ergebnis der mündlichen Prüfung in diesem Fach wandte sich der Antragsteller durch seinen Widerspruch mit u.a. folgender Begründung: Von den Prüferfragen in der 10-minütigen Prüfung in seinem Spezialgebiet – Calvins soziale Botschaft – hätten sich nur drei auf das Gebiet bezogen. Diese Fragen habe er zur vollsten Zufriedenheit beantworten können. Aber auch andere Fragen habe er richtig beantwortet, obwohl der Prüfer des längeren die Biographie Calvins behandelt habe, die nicht sein Spezialgebiet gewesen sei. Die Benotung seiner Leistungen in dem genannten Fach sei ihm daher unverständlich, zumal der Prüfer sich in dem Spezialgebiet offensichtlich nicht ausgekannt habe.
Den Widerspruch wies der Beschwerdeausschuß für die Erste Theologische Prüfung in der Sitzung vom 17. Mai 1990, dem Antragsteller mitgeteilt durch Bescheid vom 28. Mai 1990, unter Hinweis auf den dem Prüfer zustehenden Beurteilungsspielraum und darauf zurück, nach der Niederschrift über die mündliche Prüfung sei das Spezialgebiet des Antragstellers ausreichend berücksichtigt worden.
Mit dem am 27. Juni 1990 eingegangenen Antrag wiederholt der Antragsteller sein Widerspruchsvorbringen. Er trägt ergänzend vor: Der Prüfer habe auf unzutreffenden Ansichten (in Bezug auf die Biographie Calvins) beharrt und sei deshalb unqualifiziert gewesen. Offensichtlich sei die Bewertung auch von sachfremden Erwägungen getragen worden, denn der Prüfer habe auf die Erklärung, er, der Antragsteller, ordne sich dem unierten Bekenntnis zu, mißbilligend und verständnislos reagiert. Außerdem seien gute Antworten nicht entsprechend bewertet worden.
Der Antragsteller beantragt,
den Antragsgegner unter Aufhebung der Bewertung der mündlichen Prüfung im Fach “Kirchen- und Theologiegeschichte” sowie der Widerspruchsentscheidung vom 17. Mai 1990, mitgeteilt durch Bescheid vom 28. Mai 1990, zu verpflichten, die mündliche Prüfung des Antragstellers in diesem Fach zu wiederholen und neu zu bewerten. |
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen. |
Er verweist auf die Begründung des Widerspruchsbescheides.
Die Verwaltungskammer hat über den verfahrensmäßigen Hergang der mündlichen Prüfung des Antragstellers im Fach “Kirchen- und Theologiegeschichte” durch Vernehmung des Prüfers in diesem Fach, des Zeugen Prof. Dr. G., Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 29. April 1991 verwiesen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im übrigen wird auf den Inhalt der Akten der Verwaltungskammer und des beigezogenen Widerspruchsvorganges Bezug genommen.
#Gründe:
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Er ist zulässig.
Insbesondere hält die Verwaltungskammer das Rechtsschutzbedürfnis für gegeben, selbst wenn sich bei einer Verbesserung der Zensur für die mündliche Prüfung in dem Fach “Kirchen- und Theologiegeschichte” das Gesamtergebnis des Examens nicht ändert (vgl. §§ 4 Abs.12 und 22 Abs. 4 der Prüfungsordnung für die Erste und Zweite Theologische Prüfung in der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 24. Mai 1984, KABl. S.113 –PrO 84 –, wobei die letzgenannte Norm, welche die Zweite Theologische Prüfung betrifft, analog herangezogen werden kann). Denn nach § 9 PrO 84 kann gegen Ergebnisse, und damit nicht nur gegen das Gesamtergebnis, Widerspruch und gem. Abs. 3 der Vorschrift Antrag zur Verwaltungskammer erhoben werden; danach können auch Einzelnoten einer Überprüfung unterzogen werden. Zudem kann auch deshalb ein Interesse des Prüflings an der Anfechtung einer Einzelzensur bestehen, weil nicht voraussehbar ist, ob für seinen beruflichen Werdegang gerade diese Einzelnote künftig von Bedeutung sein wird.
Der Antrag ist aber unbegründet.
Es ist nämlich nicht ersichtlich, daß die vom Antragsteller beanstandete Einzelzensur rechtswidrigerweise festgesetzt worden wäre.
Prüfungsentscheidungen sind nur eingeschränkt überprüfbar, weil es sich um pädagogisch-wertende Beurteilungen handelt, die allein dem jeweiligen Prüfer bzw. Prüfungsausschuß in Ausschöpfung des ihm zustehenden Beurteilungsspielraumes zustehen, in den kein Außenstehender – auch nicht die Verwaltungskammer – eingreifen darf; denn Außenstehende besitzen keine größere Fachkompetenz als der Prüfer. Nur dann steht der Verwaltungskammer eine Überprüfungskompetenz zu, wenn ein das Prüfungsergebnis beeinflussender Verfahrensverstoß erfolgt ist, der Beurteilende sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen, von falschen Tatsachen ausgegangen ist oder allgemeingültige Bewertungsgrundsätze nicht beachtet hat. Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend jedoch nicht erkennbar.
Für das Vorliegen der beiden letzteren Alternativen ist im Falle des Antragstellers kein Anhaltspunkt ersichtlich; er hat hierzu auch nichts vorgetragen. Die Verwaltungskammer kann aber auch keinen Verfahrensfehler und keine Voreingenommenheit des Prüfers gegen den Antragsteller feststellen.
Ein Verfahrensfehler, der dann gegeben sein könnte, wenn dem Antragsteller entgegen § 4 Abs. 4 Satz 1 der Prüfungsordnung für das Erste Theologische Examen in der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 6. Mai 1971 – PrO 71 –, die nach § 23 Abs. 3 PrO 84 weitergilt, nicht ausreichen Gelegenheit gegeben worden ist, “anhand des von ihm gewählten Spezialstudiengebietes” methodisches Können und kritisches Verständnis in dem Fach “Kirchen- und Theologiegeschichte” nachzuweisen, ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht geschehen. Auszugehen ist davon, daß dieses Fach in nur 20 Minuten geprüft wird (§ 4 Abs. 5 PrO 71) und diese Zeit auch noch für die Prüfung des Grundwissens zu nutzen ist (§ 4 Abs. 4 Satz 2 PrO 71). Das bedeutet, daß für das Spezialgebiet nur etwa 10 Minuten zur Verfügung stehen. Soll in dieser kurzen Zeit eine Erkenntnis über das Wissen des Kandidaten im Spezialgebiet möglich sein, so muß die angesetzte Zeit auch hierfür verwandt werden.
Zwar könnte die Niederschrift über die mündliche Prüfung die Ansicht stützen, der Antragsteller sei weniger über sein Spezialthema – Calvins soziale Botschaft –, sondern überwiegend über die Biographie Calvins gefragt worden. Die Beweisaufnahme, nämlich die Vernehmung des Prüfers, Prof. Dr. G., ergibt jedoch, daß der Antragsteller über sein Spezialgebiet ausreichend geprüft worden ist. Zwar konnte der Zeuge sich verständlicherweise an die Einzelheiten der mehr als 1 Jahr zurückliegenden Prüfung nicht mehr erinnern. Nach Durchsicht des Protokolls über die Prüfung ist er aber zu der Wertung gekommen, der Antragsteller sei über sein Spezialthema in etwa der Hälfte der Prüfungszeit examiniert worden. Daß der Zeuge dabei das Spezialgebiet des Antragstellers nicht eng ausgelegt, sondern dahin verstanden hat, daß es “Calvin und seine soziale Botschaft” betraf, wird von dem ihm zustehenden Beurteilungsspielraum gedeckt und ist angesichts des vom Zeugen vorgetragenen Umstandes nicht sachwidrig, daß Calvin über seine Soziallehre keine zusammenhängende Schrift herausgegeben hat, so daß man seine Ansichten bzgl. seiner “sozialen Botschaft” aus seinem Wirken und seinen Grundsätzen im übrigen entnehmen muß. Wenn es daher den glaubhaften und von seiner Beurteilungskompetenz getragenen Aussagen des Zeugen entsprechend für die soziale Botschaft Calvins auf bestimmte Lebensfakten und sein Wirken ankommt, kann nicht beanstandet werden, wenn in der mündlichen Prüfung im Rahmen des Spezialthemas auch hiernach gefragt worden ist. Daher muß die Verwaltungskammer den Bekundungen des Zeugen folgen, wonach das Spezialgebiet in der mündlichen Prüfung ausreichend Beachtung gefunden hat.
Sonstige Verfahrensfehler sind nicht ersichtlich.
Es ist auch nicht feststellbar, daß der Zeuge sich von sachfremden Erwägungen, begründet durch eine vom Antragsteller allerdings wohl nur vermutete Voreingenommenheit des Prüfers, hätte leiten lassen. Der Zeuge hat in seiner Vernehmung eine solche Voreingenommenheit im Hinblick auf das vom Antragsteller mitgeteilte “unierte Bekenntnis” nachdrücklich verneint. Da der Antragsteller eine Möglichkeit der Voreingenommenheit des Prüfers nur aus einem Gesichtsausdruck dieses Prüfers herleitet und damit lediglich eine Vermutung äußert, muß die Kammer der Darstellung des Zeugen folgen, so daß sachfremde Erwägungen keinen Ausschlag für die Bewertung gegeben haben.
Alle weiteren Beanstandungen durch den Antragsteller betreffen den Beurteilungsspielraum des Prüfers, in den die Verwaltungskammer nicht eingreifen darf, so daß der Antrag zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 29 des Verwaltungskammergesetzes.